Tip des Monats

Bilder-Archiv

Presse-Archiv

Sounds-Archiv

Falco Desktop

Falco Art Gallery

Biographie

Discographie

Lyrics

Die Fans

Links

Liesmich!

Home 

Anno 1990: Zurück zum "Kommissar"
(Rennbahn Express 1990)

 

Der wilde Bube reitet wieder! Falco im Endspurt: In London mixte er sein neues Album "Data de Groove" ab. Michael Mazura (Fotos) und Georg Kindel (Story) waren hautnah dabei.

John Howard Hotel, London, direkt neben dem Hyde-Park im noblen Stadtteil Kensington. Klein, aber gediegen. Eine blaue Chesterfield-Garnitur, hellbeiger Marmorboden, braune Intarsienmöbel aus schwerem Holz. Für vier Wochen ist die große Suite des Hauses das Domizil des Falken. Zusammen mit seinem Manager Horst Bork und Co-Producer Robert Ponger hat er in London stilgerecht seine Zelte aufgeschlagen, um sein neues Album "Data de Groove" abzumischen. Stilgerecht, weil vor der Tür nicht nur eine silberfarbene Ford-Limousine mit Autotelefon steht, sondern hinter dem Lenkrad Andrew sitzt, Falcos Fahrer und persönlicher Bodyguard, der ihm jeden Wunsch von den Lippen abliest.

Wir steigen ins Auto, und Andrew bringt uns zum eine halbe Autostunde vom Hotel entfernten "Livingston"-Studiokomplex im Norden der Stadt zwischen Hampstead und Highgate. Eine heruntergekommenen Gegend, kaum Straßenbeleuchtung, nur mitten drin ein auffälliger Glaspalast. Ein kurzer Sicherheitscheck bei der Tür, dann geht’s hinein in die geheiligten Hallen. Falco liegt übermüdet auf der Couch in der Küche und schläft. Manager Bork weckt ihn. "Hallo Jungs, freut mich, daß Ihr gekommen seid!" begrüßt er uns herzlich. Im Studio 4 nebenan sitzt Robert Ponger gerade mit Mixprofi Steven Taylor und dessen Assistenten am 56-Kanal-Solid State-Mischpult und hört den Rough Mix von "Charimsa Kommando" ab. Unvorstellbare 60.000 Schilling kostet das Studio samt Techniker am Tag.

Wir setzen uns in die bequemen Drehstühle und sind bereit für die Highlights von "Data de Groove". Zuerst: der gleichnamige Titelsong, als "Human Version" mit normaler Stimme und als "AD DA-Mix", der klingt, als würde Falco durchs Telefon shouten. Treibender Rhythmus, Ohrwurm-Refrain - hitverdächtig. "Neo Nothing- Post Of All" erinnert irgendwie an "Auf Der Flucht". "Ist vollkommen beabsichtigt!" gesheht Falco über seine persönliche Lieblingsnummer. "Charisma Kommando" klingt wie ein potentieller Tophit. Knallender Dancefloor-Beat, irgendow im Panorama eine Jimi-Hendrix Gitarre, dazwischen sinnliche Italo-Phrasen wie "Ti Amo"; "Bar Minor 7/11", Untertitel, "Jeanny Dry", entpuppt sich als spanisch angehauchte Nummer in sambaähnlichen Soundgewand. Falco ist wieder der alte. Songs so genial und bissig wie zu seinen besten "Kommissar"-Zeiten. Ihre Aussage: viel und nichts. Phrasen und Klischees, die nach viel klingen und kaum was beinhalten. Das ist, was Falco schon immer ausmachte. Kernsatz bei "Jeanny Dry": "Wer hat Dir eigentlich gesagt, daß Du Jeanny heißt? Das kann nur der Chef meiner Plattenfirma sein. Sag’, ist er ein guter Gast?"

Wir wechseln die Fronten. Nach einer ausgiebigen Fotosession bringt uns Andrew ins Hotel. Er kennt jede noch so kleine Seitengasse wie seine Westentasche. Kaum sprint eine Ampel auf Rot, weicht er sofort auf einen Schleichweg aus, um nicht stehenbleiben zu müssen. Hin und wieder blitzt sein Magnum-Revolver unter seinem dunkelblauen Jackett hervor. "Der Bursche ist sein Geld wert" lobt Falco am Beifahrersitz. Wir werfen uns relaxed in die Hotel-couch und Hans Hölzel beginnt zu erzählen: Ich hasse das Wort "Back To The Roots", aber das neue Album schließt perfekt and die alte "Ganz Wien"- und "Der Kommissar"-Tradition an. Robert Ponger, mit dem ich meine beiden ersten Longplayer "Einzelhaft" und "Junge Römer" machte, is ein perfekter Katalysator für mich. Wir haben "Data de Groove" gemeinsam konzipiert, trotzdem, es ist meine Platte. "Produced by Falco and Robert Ponger" soll dokumentieren, daß ich das ideologische Mastermind bin und einen Partner habe, der es versteht, meine Ideen kreativ-technisch umzusetzen."

Die vier Wochen London sind ein Härtetest. Kein ausschweifendes Nachtleben, sondern im Schnitt bis drei Uhr früh Arbeit im Studio. Falco schläft dann meist bis Mittag, joggt mit seinem besten Freund Billy Filanowsky drei Runden um den großen See im Hyde Park (fast 12 Kilometer), wirft sich anschließend in die Sauna und läßt sich ins Studio fahren. "Die jungen Leute erwarten von mir Haltung", resümiert Falco die letzten Jahre seines Lebens. "Ich kann gut oder schlecht drauf sein, ganz egal, nur echt muß ich sein. Du kannst nicht heiraten, ein Kind haben und mit Augenzwinkern Deinen Fans sagen: ‘Kinder, nehmt’s das nicht so ernst, das bin i eh ned.’ Man kann die Leute nicht täuschen. Ich habe eine erfolgreiche Ehe hinter mir mit einem wunderbaren Kind, das ich liebe, und ich weiß nun genau, was ich nicht tun darf. Ich darf mich nicht gehen lassen! Allerding: allzu clean nimmt mir sowieso keiner ab. Ich bi auch nicht clean, überhaupt nicht. Ich kann mich nur schieflachen, wenn Zeitungen das Bild des Falco als Saubermann zeichnen. Ich tu’ alles, was mir Spaß macht, aber nach zehn Jahren Erfahrung in Doesn, die mich wissen lassen: bis hierher und nicht weiter. Ich darf mich icht mehr bis zum Exzess ansaufen und in Hotellobbies herumliegen." Sagt’s, und nimmt einen großen Schluck englisches Bier. Jener Falco, der nur im Rolls-Royce vorgefahren ist, gehört endültig der Vergangenheit an: "Meine Statussymbole trag ich im Herzen. Ich bin bei Gott nicht die neue Bescheidenhait, ich hab’ einen Bodyguard, Leute, die cih um mich kümmern, Mädchen, Freunde, alles." Die Ansprüche ans Leben sind aber anders geworden: täglich acht Stunden Schlaf (von denen er in den letzten vier Monaten seit Produktionsbeginn nur träumen kann), eine Haushälterin, die ihm seine Wohnung in Wien-Mariahilf in Schuß hält. Sport und statt einem imposanten Mega-bett eine simple Naturkautschukmatratze am Boden. Dazu jede Menge zeitgenössischer Bilder: "Ich liebe Kunst, Objekte und richtig eingesetztes Licht. Ich hab’ meine ganzen Perserteppiche ins lager legen lassen, ich brauch’ diesen ganzen Protz nicht!da kümmert er sich lieber um seine Kondition: "und daß ich beim 48. Sto? (Stoß?) bei  einem Mädel imm er noch stöhnen kann...!" Frauen gibt’s mehr als genug, fixe keine.

Und wann wird es Falco wieder live on stage zu sehen geben? "Ich glaube, daß ich auf der Bühne eigentlich nichts verloren habe. Wenn ich die Platte 1:1 auf der Bühne umsetzen möchte, bräuchte ich einen Aufwand wie Michael Jackson."

Rennbahn Express, Mai 1990?
 

English Version
L